AKTIENANALYSEN
Fatale Irrtümer der Profis
Die Fehlprognosen der Analysten sind viele Anleger wieder teuer zu stehen gekommen. Die Trefferquote liegt unter 50 Prozent.
Anleger, die professionell vorgehen und weder einer Kristallkugel noch Gerüchten aus dem Chatroom Glauben schenken, vertrauen auf das Urteil von Analysten. Als Börsenguru Heiko Thieme Anfang des Jahres erklärte, "bei DaimlerChrysler sollten Aktionäre unbedingt zugreifen", war dieser Rat für viele Investoren praktisch Gesetz. Seither ist die Aktie im Sturzflug. Aktuelle Bilanz: minus 40 Prozent.
Selbst renommierte Investmenthäuser haben sich in diesem Jahr bei den trendigen New-Economy-Titeln grob verschätzt. So legte das US-Investmenthaus Merrill Lynch den Anlegern noch im Frühjahr das Internetportal T-Online und die Medienaktie EM.TV ans Herz. Beide entpuppten sich als Megaflops.
Der deutschen Mobilkom attestierte Dresdner Kleinwort Benson im März ein Kurspotential von 220 Euro. Hätten die Experten von Kleinwort Benson bei der Analyse der Mobilkom scharf kombiniert, hätte ihnen klar sein müssen, daß für die Mobilkom eines der kleineren deutschen Telekomunternehmen - die Finanzdecke für ihre UMTS-Ambitionen zu dünn ist. Folge: Die Aktie steht derzeit, ohne dieses Hoch auch nur annähernd erreicht zu haben, bei 37 Euro. Auch die Vorhersage des Eurokurses war für die Analystenzunft kein Ruhmesblatt - praktisch jedes Institut hatte zu Jahresanfang hinausposaunt, daß der Euro heuer deutlich über einen Dollar steigen wird - statt dessen fiel der Euro auf ein neues Rekordtief.
Manche Fehlurteile haben durchaus System. Die Banken, die die Aktienanalysten beschäftigen, machen ihr Geschäft schließlich nicht mit Verkaufs-, sondern mit Kaufempfehlungen. Selbst als im März bereits viele Titel extrem überteuert waren, setzten Analysten diese Papiere mit immer neuen Argumenten auf die Kaufliste. Herkömmliche Bewertungsmethoden wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis wurden dagegen einfach in den Wind geschlagen.
Unterm Strich tippen die hochbezahlten Aktienprofis nicht einmal besser als ein Würfelspieler: Laut einer Studie des Frankfurter Professors Mark Wahrenburg erfüllt sich nur knapp die Hälfte aller Prognosen.
Quelle: FORMAT, 18.12.00